Free Goitre Camp, Kamuli Mission Hospital, Uganda
02.02. – 15.02.2025
Seit nun 10 Jahren (2015) gibt es die Kooperation der Sektion Vreden über Dr. Arnulf Lehmköster mit dem Kamuli Mission Hospital in Uganda, wo regelmäßig plastisch- und allgemeinchirurgische Einsätze durchgeführt werden. Dr. Kerstin Röhm (St. Marienkrankenhaus Ludwigshafen) war 2016 dort im Ersteinsatz und hat diese Zusammenarbeit von Anästhesieseite über die Jahre weiter ausgebaut. Nach Neugründung der Sektion Kurpfalz 2024 fuhr nun erstmals ein Anästhesieteam mit dem etablierten Chirurgen Hubert Sax unter Schirmherrschaft der Sektion Vreden nach Kamuli, um v.a. Schilddrüsenoperation durchzuführen.
Das fünfköpfige Team machte sie sich Anfang Februar auf den Weg nach Uganda: Dr. Annamirl Jellinek (Fachärztin für Anästhesie des St. Marienkrankenhaus Ludwigshafen) und Martin Stasius (Anästhesie-Fachpfleger der BG Unfallklinik Ludwigshafen) von der Sektion Kurpfalz übernahmen den anästhesiologischen Part, wobei sie das gesamte anästhesiologische Material über ihre Sektion finanzierten und mitbrachten. Annamirl war bereits das dritte Mal in Kamuli und arbeitet nach Facharztprüfung im Sommer 2024 nun selbständig und eigenverantwortlich im Einsatz. Als Chirurgen komplettierten wiederholt Dr. Carsten Boger und Hubert Sax (beide Chirurgie Bad Schwartau) und Stephan Herbsowski (Operationtechnischer Assistent) das Team.

Von Anfang an wurden am Kamuli Mission Hospital bei gemischt plastisch- und visceralchirurgischen Einsätzen auch Strumen (Schilddrüsenveergrößerungen) bei hohem Vorkommen in dieser Region operiert. Bei einer seit Jahren zunehmenden Warteliste fand nun auf Bitten und Einladung der Klinikleitung das erste reine „Free Goitre Camp“ im KMH statt. Dr. Maiso, Medical Administrator des KMH, holte das Team mit dem uns seit Jahren vertrauten Fahrer Moses direkt in Entebbe ab, wo wir endlich einmal wieder mit allen Koffern und Material ohne jegliche Kontrolle und Verzögerung den Flughafen verlassen konnten. Nach 4-stündiger Fahrt im Schulbus des KMH kamen wir in Kamuli an, wo uns schon die Hauswirtschafterin und Köchin Goretti im Guest House der Klinik erwartete. Mit einem mitgebrachten, einfachen Bügeleisen als kleines Geschenk bereiteten wir ihr eine riesige Freude!





Noch am Ankunftstag lernten wir auf Einladung durch Jude und seiner Mutter Esther Walubo, Gründerin der Bulogo Women´s Group, vor Ort ihre Aktivitäten zur Ausbildung von Young Single Mothers und den Klimaschutz kennen. Nach einem sehr guten und reichhaltigen Essen mit verschiedensten lokalen Spezialitäten durften wir als Höhepunkt auf ihrem Hofgelände zwei Mangobäumchen pflanzen, verbunden mit einer Spende für weitere Baumpflanzungen als CO2-Ausgleich für unsere Flugreisen.
Das Screening der Patienten am Folgetag war bei seit langem bekannter Ankündigung des Camps gut organisiert mit Hilfe von zahlreichen Mitarbeiter:innen aus der Verwaltung sowie Pflegekräften und Schülerinnen (School of Midwifery & Nursing), allen voran durch die seit Jahren bekannten und sehr engagierten Stationsleitungen Justine und Immaculate. Vor allem Deborah, Medical Officer Orthopädie, unterstützte uns während des gesamten Einsatzes mit sehr großem Engagement, zeitweise auch die beiden Chirurgen Dr. Isaac und Dr. Simba vom General Hospital Kamuli.
Unter die vorausgewählten 70 „Strumapatient:innen“ hatten sich nur vereinzelt Patienten mit anderen Tumoren im Halsbereich „verirrt“ (Ohrspeicheldrüse, Lymphknoten), weiterhin einzelne Kinder mit Leistenbrüchen und Hodenhochstand. Insgesamt konnten wir 32 Patientinnen (ausschließlich Frauen!) mit zum Teil riesigen Strumen operieren, die jüngste Patientin war 13 Jahre alt mit großem autonomen hyperthyreotem Adenom. Zusätzlich erfolgten 6 Operationen bei Kindern mit angeborenem Hodenhochstand, Leistenbrüchen und einem Tumor am Penis, weiterhin jeweils eine OP bei Ohrspeicheldrüsen- und Lymphknotentumor am Hals. Tatkräftig unterstützten uns als OP-Leitung Sr. Joan sowie ihre Vorgängerin, die uns seit vielen Jahren liebgewordene Sr. Agnes mit ihren Mitarbeiter:innen, die bei großem Interesse für das Camp sogar von der Pädiatrie und Maternity mit einer großen Anzahl von wechselnden Schülerinnen in das „Operating Theatre“ kamen. Sie halfen beim Zureichen und Instrumentieren am Tisch, als OP-Assistenz, bei der postoperativen Überwachung am Eingang zum OP im „Aufwachraum“ an der Seite der Patientenliege sowie bei der Reinigung und Sterilisation aller von uns mitgebrachten umfangreichen Instrumentensiebe und nicht zuletzt bei der ausnahmslosen Handwäsche der benutzten Baumwollkittel und OP-Tücher! Deborah als Medical Assistant sowie die beiden Chirurgen vom General Hospital, Dr. Isaac und Dr. Simba, der zeitweise auch im KMH arbeitet, aus privaten Gründen während des Camps aber leider nur einige Tage da war, konnten häufig mitoperieren.
Insgesamt gab es nur eine Komplikation bei einer 54-jährigen Patientin, die an der Schilddrüse operiert wurde, leider ihre Vorerkrankungen von Lungenseite verschwiegen hatte und nach Narkoseausleitung Luftnot hatte und sehr agitiert war. Trotz mehrstündigem medikamentösem Therapieversuch, Beruhigen und assistierter Beatmung musste sie in die nächste Klinik mit Intensivstation verlegt werden. Dies war eine logistische Herausforderung, noch in der gleichen Nacht wurde sie mit dem klinikeigenen Krankenwagen in das knapp 70 km entfernte Jinja in ein Hospital mit Intensivstation und Nachbeatmungsmöglichkeit verlegten. Dort wurde die Patientin intubiert und maschinell beatmet, nach erfolgloser Extubation erhielt sie nach einem Tag einen Luftröhrenschnitt mit Kanüleneinlage, worauf sie sich rasch stabilisierte und nach 8 Tagen wieder nach Hause entlassen werden konnte. Zwischenzeitlich hat sich die Patientin weiter erholt, kann ohne Atemnot sprechen, und der Verschluss des Luftröhrenschnitts kann in Kürze durchgeführt werden.
Am operationsfreien Sonntag durften wir als Team mit Deborah zunächst am frühen Morgen nach Besteigung des Kagulu Rock (1.067 m) in der Nähe von Kamuli (ca. 40 km) einen wunderschönen Sonnenaufgang erleben. Am gleichen Nachmittag genossen wir bis zum Abend bei einem gemeinsamen Ausflug mit allen helfenden Mitarbeiter:innen des KMH die fast allen noch unbekannten Busowoko Falls des Nil mit Wasser-Nacken-Massagen und ein leckeres Tilapia-Essen.
Zusammenfassend war bei dem geschilderten Notfall die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Kommunikation mit dem Klinikleiter und Organisation der Verlegung nach Jinja zur Nachbeatmung sehr gut. Für die Zukunft ist bei gewünschter Schilddrüsenchirurgie im KMH bei weiteren Einsätzen allerdings eine vor Ort mögliche präoperative Grunddiagnostik zu fordern mit laborchemischer Bestimmung der Schildddrüsenfunktion und Sonographie, eine Verbesserung der postoperativen Überwachung und Sicherung der eingeleiteten postoperativen Schilddrüsenhormonsubstitution. Weiterhin ist vorher eine Kooperation mit einer größeren Klinik in der Nähe mit Intensiv- und Beatmungsmöglichkeit für einen eventuellen Notfall für die Zukunft zu organisieren. Insgesamt war es für alle ein intensiver, bei hohen Temperaturen bis 40° zeitweise auch sehr anstrengender Einsatz, bei dem leider auch 2 Teammitglieder einige Tage an einer schweren fiebrigen Durchfallerkrankung erkrankten.
Erwähnenswert ist noch der Ausbau der lokalen Infrastruktur, es wurde von Spendengeldern nach Ausfall des Röntgensystems im Oktober 2024 eine – mittlerweile digitale – Röntgenanlage installiert und steht mittlerweile, ebenso wie die Labordiagnostik, nun zur Verfügung.
Ein kleiner Ausblick: die Sektion Kurpfalz wird für die Zukunft den Einsatz im Herbst/Winter am Kamuli Mission Hospital Uganda komplett übernehmen und der nächste Einsatz in für November 2025 bereits fest geplant. Der Dank und das glückliche Lächeln der operierten Patient:innen und ihrer Angehörigen ist aber für jedes Teammitglied Motivation für weitere Einsätze. Wir freuen uns!
Hubert Sax (Teamleiter) im Februar 2025 mit Annamirl und Martin
Kerstin Röhm (Sektionsleitung der Sektion Kurpfalz)
